- Medizinnobelpreis 1943: Henrik Carl Peter Dam — Edward Adelbert Doisy
- Medizinnobelpreis 1943: Henrik Carl Peter Dam — Edward Adelbert DoisyDer dänische und der amerikanische Biochemiker erhielten den Nobelpreis für die Entdeckung des Vitamins K und dessen chemischer Zusammensetzung.BiografienHenrik Carl Peter Dam, * Kopenhagen 21. 2. 1895, ✝ ebenda 17. 4. 1976; ab 1929 Professor für Biochemie an der Universität Kopenhagen, 1940-41 Forschungen in den Woods Hole Marine Biological Laboratories und an der University of Rochester, ab 1941 Professor für Biochemie am Polytechnischen Institut Kopenhagen, 1956-62 Leiter der biochemischen Abteilung des Dänischen Instituts für Fettforschung.Edward Adelbert Doisy, * Hume (Illinois) 13. 11. 1893, ✝ Saint Louis (Missouri) 23. 10. 1986; ab 1923 Professor für Biochemie an der School of Medicine der University of Saint Louis, ab 1924 dort Leiter der Abteilung für Biochemie.Würdigung der preisgekrönten LeistungDie Entwicklungsgeschichte der beiden geehrten Leistungen demonstriert das große wissenschaftliche Interesse an den Vitaminen in den 1930er-Jahren. Während Henrik Dam seine Entdeckung im Rahmen anderer Forschungen machte, geht die chemische Strukturanalyse und Synthese des Vitamins K auf einen gezielten Wettlauf internationaler Forschergruppen zurück, den schließlich Edward Doisy gewann.Ein unbekannter Wirkungsfaktor der BlutgerinnungIn den Jahren 1928 bis 1930 führte Henrik Dam im Biochemischen Institut der Universität Kopenhagen eine Versuchsreihe über den Cholesterinstoffwechsel bei Küken durch. Die Küken wurden mit einer extrem fettarmen Diät unter Zugabe von Vitamin A und D mit bestimmtem Cholesteringehalt aufgezogen. Untersuchungen ergaben, dass das aus dem Eigelb übernommene Cholesterin zwei bis drei Wochen nach dem Schlüpfen der Küken größtenteils verbraucht ist, parallel zur Gewichtszunahme aber vermehrt Cholesterin produziert wird. Dam konnte somit beweisen, dass Hühner zur Synthese von Cholesterin fähig sind.Bei einigen Küken, die länger als zwei bis drei Wochen mit der sterinfreien Diät ernährt worden waren, beobachtete Dam Blutungen an verschiedenen Körperteilen. Diese Symptome veränderten sich weder bei Cholesterinzugabe noch bei Erhöhung des Fettgehalts. Amerikanische Forscher erreichten mit der Verfütterung von frischem Kohl ein Ende der Blutungen und schlossen auf das Vitamin C als auslösenden Faktor. Erst als dieses 1934 in reiner Form erhältlich wurde, konnte Dam beweisen, dass auch das Vitamin C keinen Einfluss auf die Krankheitssymptome hatte. Zusammen mit seinem dänischen Kollegen Schønheyder entdeckte er, dass die Fütterung von Hanfsamen die Blutungen stoppte. Hieraus schloss Dam auf einen im Hanfsamen enthaltenen, bisher unbekannten Faktor zur Blutgerinnung und nannte ihn Koagulationsvitamin oder Vitamin K. Daraufhin wurde die Wirksamkeit verschiedener Pflanzen und Tierorgane untersucht, wobei Schweineleber und grüne Blätter zu den effektivsten Substanzen gehörten. Die amerikanische Forschergruppe um Almquist konnte 1938 zudem die Bildung von Vitamin K durch Bakterien im Verdauungstrakt beweisen.Dam erforschte nun die spezielle Wirkung des Vitamins K innerhalb der Koagulation. Während der Blutgerinnung entsteht ein Netz aus faserigen Eiweißstoffen (Fibrin). Diese Verbindung wird durch die Einwirkung des Enzyms Thrombin aus dem Protein Fibrinogen gebildet. Thrombin entsteht durch die Aktivierung des Proenzyms Prothrombin durch Thrombokinase in Anwesenheit von Kalziumionen. Zur Bildung von Prothrombin in der Leber ist das Vitamin K notwendig. Mangel an Vitamin K verursacht einen Prothrombin- und damit einen Thrombinmangel, der die Bildung des Fibrins und so die Blutgerinnung verhindert.Chemische Zusammensetzung und Synthese des Vitamins KGleichzeitig zu diesen Erkenntnissen über den komplizierten Prozess der Koagulation unternahmen verschiedene internationale Forschergruppen den Versuch, die chemische Struktur des Vitamins K zu entschlüsseln. Dam war es bereits 1938 gelungen, aus der Futterpflanze Luzerne ein gelbes Öl als reines Vitamin K zu extrahieren. Unter der Leitung des bedeutenden Vitaminforschers Paul Karrer (Nobelpreis für Chemie 1937) arbeitete er weiter an der chemischen Strukturanalyse. In Konkurrenz hierzu beschäftigten sich mehrere führende amerikanische biochemische Laboratorien mit derselben Problematik. Schließlich gelang es 1939 zuerst Edward Doisy und seinen Kollegen Sidney Thayer, Stephen Blinkley, Ralph McKee und D.W. Corquodale aus St. Louis als ersten, das fettlösliche, aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehende Vitamin K — beziehungsweise die Varianten K1 aus Luzernesamen und K2 aus Fischmehl — zu isolieren. Darüber hinaus konnten sie das als Naphthochinon-Derivat identifizierte Vitamin synthetisieren.Praktisch zeitgleich konnte das Vitamin K auch von anderen amerikanischen Forscherteams isoliert und künstlich hergestellt werden. Das Patent für das synthetisierte Vitamin K3, das so genannte Menadione, konnte sich allerdings die Universität von Saint Louis sichern.Prophylaxe und Behandlung von BlutungskrankheitenBei der Übertragung der Forschungsergebnisse auf Nutzanwendungen für den Menschen zeigte sich, dass bestimmte von Gelbsucht begleitete Leber- und Gallenkrankheiten durch eine auffällige hämorrhagische Neigung charakterisiert sind, die auf einen Prothrombinmangel zurückzuführen ist und mit Vitamin K beseitigt werden kann. Damit werden Risiken operativer Behandlungen verringert. Auf eine reduzierte Absorption von Vitamin K aus dem Darm ist die Blutungstendenz bei gewissen Erkrankungen des Verdauungstrakts mit Schädigungen der Darmschleimhaut zurückzuführen. Diese Erkrankungen konnten nun ebenfalls behandelt werden.Das wichtigste Einsatzgebiet des Vitamins K liegt in der Kontrolle der Blutungen bei Neugeborenen, da teilweise lebensbedrohliche Blutungen im Säuglingsalter viel häufiger als in späteren Lebensphasen beobachtet werden können und vielfach durch einen Vitamin-K-Mangel ausgelöst werden. In den ersten Tagen nach der Geburt sinkt der Prothrombinspiegel durch die anfängliche Sterilität des Dickdarms und niedrige Milchaufnahme. Mit Vitamin K können auftretende Blutungen geheilt werden und durch prophylaktische Verabreichung an die Mutter vor oder an den Säugling unmittelbar nach der Geburt sogar weitgehend verhindert werden.T. Halling
Universal-Lexikon. 2012.